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Mentales Training

Ulrike Klees, Sie versuchen, Menschen in stressigen Angstsituationen zu helfen, vor allem Musikern bei Lampenfieber, sie verhelfen ihnen zu mehr Bühnenpräsenz – wie gehen Sie da vor?
Wichtig ist es zuerst eine ganzheitliche Analyse auf der körperlichen und der mentalen Ebenen vorzunehmen. Der erste Schritt ist, zu erkennen, wo der Klient Schwierigkeiten hat, wo seine Schwächen sind, aber genauso, wo seine mentalen Stärken und seine Fähigkeiten liegen. Sind Ängste vorhanden, Ängste, die er vielleicht verdrängt, die aber im entscheidenden Moment doch wieder hochkommen und ihn blockieren? Allerdings geht es auch darum, wie er seine mentalen Stärken noch verfeinern und Lücken schliessen kann.
Nun hat die Psyche immer auch Auswirkungen auf den Körper, so dass der nächste Schritt darin besteht, zu analysieren, wie sich die mentalen Blockaden auf der körperlichen Ebene äussern.
Wie agiert z. B. ein Musiker oder Sportler unter Stress, wo wird er fest, verspannt sich, wann bekommt er einen ängstlichen Blick, wann sind gewisse Körperbereiche nicht mehr durchlässig. Dabei ist auch von Bedeutung: Wie tritt er auf, wie betritt er den Raum, wie viel Selbstsicherheit und Spielfreude strahlt er auf der Bühne aus.

Wie gehen Sie den mentalen Bereich an?
Zunächst geht um das Erlernen von Entspannungstechniken, die dann später mit Visualisierungstechniken kombiniert werden. Hier erlernt die Person, Situationen vorwegzunehmen, im Vorfeld des Ereignisses bereits Emotionen zuzulassen und diese dann durch Gedankentraining zu steuern und zu trainieren.
Dann arbeiten wir gemeinsam daran, den Ist-Zustand und den Wunschzustand ihres Denkens in der Stresssituation zu erkennen, damit ich sie unterstützen kann, ihren Wunschzustand zu erreichen. Also konkret könnte das z.B. heißen: „Was denke und fühle ich beim Probespiel/Konzert/Prüfung, und was möchte ich gerne in dieser Situation denken und fühlen.“ Ich nenne das mentales Emotionstraining.
Außerdem ist es für die emotionale Sicherheit natürlich wichtig, körperlich und geistig fit zu sein. Dazu gehört Sicherheit in der Ausübung der Tätigkeit, und dafür braucht es effektives Üben oder gründliche Vorbereitung.

Und wie übt man effektiv?
Wichtig ist, nicht nur am Instrument zu üben sondern auch mental: Üben im Kopf Das ist eine Technik, die viel Sicherheit gibt, und deshalb nenne ich sie mentales Sicherheitstraining. Im Hochleistungssport ist das eine unerlässliche Trainingsvorbereitung.
Im Übrigen sollte man sich überlegen, welche weiteren Sinneskanäle man beim mentalen Training zusätzlich nutzen kann. Musiker sollten sich fragen: „Kann ich vor dem inneren Auge die Noten/Griffbrett sehen, kann ich im inneren Ohr die Töne/Melodie hören, kann ich Bewegungsabläufe mental spüren etc.“
Der angenehme Nebeneffekt: Durch effektives mentales Üben bekommt man auch mehr Zeit für andere Dinge, für Hobbys, für Freunde, für die Natur usw.

Sie setzen in Ihrer Arbeit häufig die Videokamera ein, warum?
Ja, das Videotraining ist eine sehr hilfreiche Methode, um dem Klienten eine Rückmeldung über seinen körperlichen Zustand, seine Präsenz und Ausstrahlung zu geben. Dies ist wichtig, da der Körper sich oft falsche Bewegungsmuster und Spannungszustände eingeprägt hat, die der Person meistens nicht bewusst sind. Durch die Kontrolle mit der Kamera kann ich ihr diese Verspannungen und falschen Bewegungsmuster verdeutlichen und dadurch mit ihr neue körperliche Verhaltensmuster erlernen. Das gleiche gilt für Ausdruck und Ausstrahlung, auch diese können durch das Videotraining optimiert werden.
Dabei geht es geht mir darum, dass die Person einen neuen Ausdruck und neue Bewegungen findet, in denen sie sich zu hause fühlt. Es soll nichts Aufgesetztes sein, sondern soll zu ihr gehören d.h. natürlich sein.

Arbeiten Sie auch mit Körperübungen?
Ja, wenn jemand schon körperliche Beschwerden hat, arbeite ich mit Stretchingübungen oder versuche, mit ihm zu schwache Muskelpartien zu trainieren, um so Dysbalancen abzubauen und weitere zu verhindern.
Durch meine Zeit als aktive Sportlerin und Sportpsychologin habe ich einen geschulten Blick, um zu sehen, wo jemand Verspannungen oder eine falsche Körperhaltung hat und dadurch nicht durchlässig ist.

Wie stark spielt bei Spannungszuständen auch das menschliche Umfeld eine Rolle, wie sehen Sie das als Psychologin?
Das Umfeld ist zentral: Krisen in der Familie, mit dem Partner, dem Trainer oder dem Lehrer sind wichtige Faktoren. Daher versuche ich, auch diese psychischen Aspekte mit einzubeziehen, weil solche Krisen einen großen Einfluss auf den Umgang mit Stresssituationen haben.

Was ist das Hauptziel Ihres Trainings?
Hauptziel ist nicht in erster Linie z.B. der Gewinn eines Probespiels oder Wettkampfs, sondern dass die Person, die Aufgabe (selbst Prüfungen) mit Freude und Begeisterung und vor allem ohne Angst ausübt.
Mein Ziel ist es auch, Menschen zu helfen, neue Ressourcen zu suchen, um aus Sackgassen wieder heraus zu finden. Eine grosse Begabung kann einen auch auf eine Einbahnstrasse führen und den Blick für andere Perspektiven einschränken.
Die meisten Menschen aber haben so viele Fähigkeiten und Ressourcen, die brachliegen und nur darauf warten, entdeckt zu werden!

Das Interview mit Ulrike Klees hat Eva Oertle, Flötistin und Musikjournalistin bei Radio SRF2 Kultur geführt.